(1) Das Restrukturierungsgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Verfahren in der Restrukturierungssache von Bedeutung sind, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.

(2) Der Schuldner hat dem Restrukturierungsgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über seine Anträge erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.

(3) Die Entscheidungen des Restrukturierungsgerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.


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§ 39 regelt abweichend von der ZPO, dass im Restrukturierungsverfahren grundsätzlich nicht der Beibringungsgrundsatz, sondern der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 5 Abs. 1 InsO (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 143). Die Vorschrift enthält jedoch entgegen § 5 InsO einen ausdrücklichen Vorbehalt abweichender Regelungen („soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist“). Dadurch sollen die Beschränkungen des Amtsermittlungsgrundsatzes berücksichtigt werden, welche das Gesetz an verschiedenen Stellen zur Beschleunigung des Verfahrens vorsieht (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 143). Trotz des Verweises des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung, dass sich die Vorschriften inhaltlich entsprechen, ergeben sich aufgrund des unterschiedlichen Verfahrenscharakters von Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren Abweichungen hinsichtlich des Beginns und Umfangs der in § 5 Abs. 1 InsO und § 39 geregelten Amtsermittlungspflicht (Vallender, ZRI 2021, S. 165).

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Grundsätzlich beginnt die Amtsermittlungspflicht des Restrukturierungsgerichts mit dem Eingang der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens gemäß § 31 (Vallender, ZRI 2021, S. 165). Hierbei wird der Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 39 Abs. 2 durch eine umfassende Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Schuldners ergänzt (HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 39 Rn. 4; Morgen/Blankenburg, § 39 Rn. 1).

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Im Insolvenzverfahren greift die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts erst ein, wenn ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt (Uhlenbruck/Pape, § 5 Rn. 1). Im Restrukturierungsverfahren ist die einseitige Anzeige des Restrukturierungsvorhabens gemäß § 31 Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Verfahrenshilfen. Die Anzeige hat, ohne dass es hierfür einer gerichtlichen Entscheidung bedarf, zur Folge, dass das Restrukturierungsvorhaben eingeleitet und die Restrukturierungssache rechtshängig wird (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 134). Die Anzeige gemäß § 31 ist somit kein formaler Antrag auf Einleitung eines Eröffnungsverfahrens (BeckOK-StaRUG/Kramer, § 39 Rn. 41; HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 39 Rn. 4). Daher setzt die Amtsermittlungspflicht mit Eingang der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem Restrukturierungsgericht ein (BeckOK-StaRUG/Kramer, § 39 Rn. 4; Vallender ZRI 2021, S. 165).

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Art und Umfang der Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Morgen/Blankenburg, § 39 Rn. 8). Hierfür stehen dem Gericht sämtliche Beweismittel im Wege des Freibeweises zur Verfügung (HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 39 Rn. 12). Ein förmlicher Beweisbeschluss ist nicht erforderlich; mit Ausnahme der Bestellung eines Sachverständigen (Uhlenbruck/Pape, § 5 Rn. 5). Bei der Anordnung von Amtsermittlungen bedarf es keiner Anhörung der Beteiligten; daher muss weder vor der Bestellung eines Sachverständigen noch der Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen rechtliches Gehör gewährt werden (Morgen/Blankenburg, § 39 Rn. 8).

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Dem Gericht stehen neben den in § 39 Abs. 1 S. 2 beispielhaft benannten Zeugen und Sachverständigen über § 38 S. 1 alle Beweismittel der ZPO zur Verfügung. Hierbei unterliegen die Ermittlungsmaßnahmen des Gerichts als rein vorbereitende Verfahrenshandlungen keinem Rechtsmittel (BeckOK-StaRUG/Kramer, § 39 Rn. 36).

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Nach § 39 Abs. 1 S. 2 kann das Restrukturierungsgericht Sachverständige vernehmen. Dabei erfolgt die Vernehmung des Sachverständigen - wie im Insolvenzverfahren - üblicherweise dadurch, dass dieser ein schriftliches Gutachten erstattet (HmbKommInsR/Rüther, § 5 Rn. 16).

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Die Rechtstellung des Sachverständigen bestimmt sich nach § 38 S. 1 iVm §§ 402 ff. ZPO.  Hinweise, welche Anforderungen an die Qualifikationen des Sachverständigen zu stellen sind, enthält das Gesetz nicht. Allerdings ergibt sich aus § 73 Abs. 3, dass das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen kann, damit dieser Prüfungen als Sachverständiger vornimmt (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 143). Daraus folgt, dass an den Sachverständigen die gleichen Anforderungen zu stellen sind, wie sie in § 74 Abs. 1 an den Restrukturierungsbeauftragten gestellt werden (Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2585). Als Sachverständiger kommt somit nur ein in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist, in Betracht (vgl. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 171 f.; Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2585). Die Restrukturierungsgerichte werden sich bei der Beauftragung des Sachverständigen insoweit an die insolvenzrechtliche Praxis anlehnen und den Sachverständigen im Einzelfall aus dem Kreis aller zur Übernahme bereiten Personen auswählen, was dazu führen dürfte, dass die Gerichte – wie bei Insolvenzverwaltern und Sachwaltern – allgemeine Vorauswahllisten führen (vgl. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 171).

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Nach § 73 Abs. 3 kann das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten zum Zwecke seiner Unterstützung und Entlastung bestellen, um Prüfungen als Sachverständiger vorzunehmen (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 171). Insoweit werden folgende Regelbeispiele benannt: Die Prüfung der nach §§ 63 f. erforderlichen Bestätigungsvoraussetzungen des Restrukturierungsplans sowie die Angemessenheit der Entscheidung bei einem Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten oder einer Beschränkung der Haftung von unbeschränkt haftenden Gesellschaftern.

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Hierbei ist weder dem StaRUG noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen, in welchem Verhältnis die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten als Sachverständigen zu der Bestellung eines orginären Sachverständigen steht. Insoweit ist § 73 Abs. 3 jedenfalls keine den § 39 Abs. 1 verdrängende Spezialnorm (BeckOK-StaRUG/Kramer, § 39 Rn. 23; HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 39 Rn. 19).

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Die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten ist nur möglich, soweit eine zulässige Anzeige vorliegt. Daher kann das Gericht im Hinblick auf Ermittlungen der Zulässigkeit der Restrukturierungsanzeige nur einen Sachverständigen und keinen Restrukturierungsbeauftragten einsetzen (Morgen/Blankenburg, § 39 Rn. 11). Allerdings ist die nachfolgende Bestellung dieses Sachverständigen zum Restrukturierungsbeauftragten möglich; ähnlich dem Insolvenzverfahren, indem der Sachverständige in der Regel zum späteren Insolvenzverwalter bestellt wird  (HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 39 Rn. 19).

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Die Differenzierung zwischen dem Sachverständigen und dem Restrukturierungsbeauftragten ist auch deshalb relevant, da die Vergütung des originären Sachverständigen nach § 9 Abs. 4 JVEG lediglich 120 EUR je Stunde und der Restrukturierungsbeauftragte gemäß § 81 Abs. 3 bis zu 350 je Stunde erhält.

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Die Bestellung des Sachverständigen erfolgt durch Beschluss, der die Aufgaben für den Sachverständigen genau zu bezeichnen hat, § 38 S. 1 iVm § 403 ZPO.

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Das Restrukturierungsgericht kann gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 Zeugen vernehmen und zwar über § 38 S. 1  nach Maßgabe der §§ 373 ff. ZPO. Die Zeugnisverweigerungsrechte gelten entsprechend nach den allgemeinen Vorschriften, § 38 S. 1 iVm §§ 383ff. ZPO. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist nicht nötig, sodass die Beweisaufnahme regelmäßig mit der Ladung des Zeugen beginnt. Dem Zeugen sollte mit der Ladung das Beweisthema entsprechend § 377 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mitgeteilt werden, damit er sich vorbereiten kann (HmbKommInsR/Rüther, § 5 Rn. 14). 

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Daneben kann das Gericht insbesondere Auskünfte von Behörden anfordern sowie Registerauszüge von Registergerichten erheben (HmbKommInsR/Rüther, § 5 Rn. 25; Uhlenbruck/Pape, 5 Rn. 21).

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In § 39 Abs. 2 werden eine allgemeine Auskunftserteilungspflicht (Alt. 1) und eine Unterstützungspflicht (Alt. 2) des Schuldners geregelt. Der Schuldner hat dem Restrukturierungsgericht sämtliche Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über seine Anträge erforderlich sind und hat auch im Übrigen, soweit dies zweckdienlich und zumutbar ist, das Gericht bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 143).

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Die Vorschrift entspricht dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 InsO. Verletzt der Schuldner eine dieser Pflichten, sind keine Zwangsmittel, wie etwa bei § 98 InsO, vorgesehen (Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2585). Hiernach fehlt es an einem entsprechenden Verweis wie in § 20 Abs. 1 S. 2 InsO. Allerdings kann aufgrund einer mangelnden Auskunftserteilung eine beantragte Verfahrenshilfe zurückgewiesen werden (Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2585). Die Aufhebung einer Restrukturierungssache gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 ist denkbar, wenn sich der Schuldner jeglicher Auskunftserteilung entzieht (Vallender, ZInsO 2020, S. 2579, 2585).

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Zur Auskunft sind der Schuldner als natürliche Person höchstpersönlich und bei juristischen Personen und Personenmehrheiten jedes Vertretungsorgan verpflichtet. Mangels Verweis auf § 101 InsO sind persönlich haftende Gesellschafter, ehemalige Organmitglieder oder Angestellte nicht gegenüber dem Restrukturierungsgericht zur Auskunft verpflichtet, persönlich haftende Gesellschafter oder Angestellte des Schuldners; diese können nur als Zeugen vernommen werden (Morgen/Blankenburg, § 39 Rn. 33).

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Die Auskunftspflichten bestehen gegenüber dem Restrukturierungsgericht. Außerdem statuiert § 76 Abs. 5, dass auch der amtlich bestellte Restrukturierungsbeauftragte berechtigt ist, von dem Schuldner Auskünfte einzuholen.  Danach soll der Schuldner analog zu §§ 22 Abs. 3, 97 InsO zur Auskunftsgewährung und Duldung der Einsichtnahme in Geschäftsbücher und -papiere verpflichtet werden (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 174).

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Die Unterstützungspflichten im Restrukturierungsverfahren umfassen insbesondere die Bereitschaftspflicht, d.h. der Schuldner muss sicherstellen, für das Gericht erreichbar zu sein. des Schuldners, also dessen Erreichbarkeit für das Gericht. Zur aktiven Mitwirkungspflicht gehört zudem, einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Notar von ihrer Schweigepflicht zu entbinden (Uhlenbruck/Zipperer, § 20 Rn. 25; BeckOK-StaRUG/Kramer, § 39 Rn. 46; HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 39 Rn. 35; a.A. Morgen/Blankenburg, § 39 Rn. 36, wonach sich die Mitwirkungspflicht auf die Beibringung von Unterlagen beschränkt).

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Nach § 39 Abs. 3 S. 1 ist eine mündliche Verhandlung abweichend vom im Erkenntnisverfahren herrschenden Prinzip der Mündlichkeit (§ 128 ZPO) entbehrlich. Dies dient der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 143). Allerdings haben die vom Gesetz in §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1, 48 Abs. 2, 61 vorgesehenen Termine, zwingend mündlich stattzufinden (HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 39 Rn. 36; Morgen/Blankenburg, § 39 Rn. 38).

21

Ansonsten steht die Anordnung einer mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts (HmbKommInsR/Rüther, § 5 Rn. 42). Maßgeblich ist, ob die mündliche Verhandlung der Verfahrensbeschleunigung dient.

22

Nach § 39 Abs. 3 S. 2 kann eine mündliche Verhandlung entgegen § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO in den Monaten Juli und August stattfinden.

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